Einsames Camping in Çakraz

Im Kleinbus an die Schwarzmeerküste werden uns die Plätze neben dem Fahrer zugewiesen und wir geniessen die abwechslungsreiche zweistündige Fahrt von einer guten Position aus. Sowohl der Busfahrer als auch wir versuchen immer wieder, ein Gespräch zu beginnen. Marlene schlägt eifrig Wörter nach die Urs benötigt, um seine Gesten mit zumindest einem Stichwort zu ergänzen. Einfacher als Worte lässt sich der Reiseproviant teilen. Der Fahrer bietet uns Wasser und Kaffee an und wir teilen unsere letzten Süssigkeiten aus Safranbolu mit ihm.
Bei der Ankunft im Küstenstädtchen Amasra werden wir sogleich von einer Mitfahrerin angefragt, ob wir eine Pension benötigen würden. Mit Geste aufs Zelt erklären wir, dass wir auf dem Camping übernachten wollen. Dahin zu gelangen erweist sich, trotz genauer GPS-Koordinaten, als besondere Herausforderung. Das GPS-Gerät teilt uns mit, dass wir noch acht Kilometer vom Camping entfernt sind. Auf der kaum befahrenen Küstestrasse ist es wohl schwierig, per Anhalter weiterzukommen und so wollen wir uns im Dorf nach Bussen erkundigen. Bei der Suche nach einer Tourismusinformation geraten wir in die Arme eines Mannes, der sich uns als höherer Gemeindebeamte vorstellt. Wir erhalten alle möglichen Auskünfte über günstige Pensionen, nicht aber eine Antwort auf unsere Frage nach dem „Camping Dolunay“. Als alle Versuche seinerseits, uns eine Unterkunft mit vier festen Wänden zu beschaffen, scheitern, ruft er einen Kollegen heran. Nach kurzer Verhandlung offerieren sie uns, dass wir auf dem schmalen Sandstreifen zwischen Touristenkaffees und Liegestühlen unser Zelt aufstellen könnten. Dankend lehnen wir ab, fragen ein letztes Mal verzweifelt nach dem Camping und schieben nach, dass wir die Angaben auf der Webseite seiner Gemeinde gefunden hätten. Jetzt erst scheints dem Mann zu dämmern und er erzählt uns, dass sich der „Camping Dolunay“ im nächsten Dorf, Çakraz befindet und wir den Bus dahin nehmen müssten. Während wir endlich zur Bushaltestelle ziehen ruft er uns noch nach, dass morgen Bazar in Amasra sei und er uns bei Tee die Touristenbrochure übergeben würde.
Der Mann ist nicht der einzige, der hier etwas dick aufträgt: In Çakraz erwartet uns nicht die beschriebene Beachbar und Camping mit Wireless dafür aber eine kleine Grasfläche am Meer, die gerade unter Motorenlärm bearbeitet wird. Wir gehen über den Campingplatz und treffen auf einen Mann der uns nach unserer Herkunft fragt. Es ist nicht der Campingwart sondern ein deutscher Philosophieprofessor, der mit seiner Frau durch die Türkei reist. Offenbar waren sie eine der ersten Gäste dieser Saison und so hat der Campingwart bei ihrer Ankunft gleich ein Duzend Arbeiter herbeibeordert um den Platz in Ordnung zu bringen.

Bei einem ersten Bad im Meer spühlen wir die Anstrengungen der Anreise ab. Abends lauschen wir bei griechischem Wein gespannt den Erzählungen des deutschen Paares, die vor 10 Jahren zu Fuss nach Jerusalem gegangen sind. Die beiden sind mittlerweile über 70 Jahre alt und haben viel Spannendes übers Reisen in der Türkei und im Nahen Osten zu erzählen. Bei den Schilderungen über Erfahrungen in der Türkei und Syrien, welche die Frau machen musste, vergeht Marlene allerdings etwas die Badelaune.

Als die bewundernswerte Reisebekanntschaft am nächsten Tag weiterzieht, fällt uns auf, dass wir als einzige westliche Gäste hier in Çakraz schon sehr auffallen. Das Bild in den zwei Strassen des Dorfes ist von Männern dominiert und die Frauen legen am und teilweise sogar im Wasser ihre Kopfbedeckung nicht ab. Erstaunlich wie sich das Auftreten der Menschen schon hier deutlch vom Nachbarstädchen Amasra unterscheidet, wo wir Frauen mit offenen Haaren und kurzärmeligem T-shirt begegnet sind. Die Leute in Çakraz begegnen uns vielleicht etwas verwundert, aber äusserst freundlich. Obwohl es hier weder Bank noch Post gibt und wir kein Internet haben, gelangen wir an alle wichtigen Informationen um weiterzukommen. Die Männer in der Gaststube am Eingang des Dorfes erklären uns mit allen erdenklichen Hilfsmitteln und Zeichen, dass die beste Verbindung für uns der Bus nach Cide ist. Dankend nehmen wir die Auskunft entgegen, verpassen dann doch beinahe den Bus, der am entscheidenden Tag zehn Minuten früher losfährt.

 

Kategorie(n): Deutsch, Türkei, Wegpunkte

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