Sind wir tatsächlich noch in Europa oder sind wir etwa zu weit gefahren? Das schmuddelige Bahnhofsgebäude und die veralteten Ticketautomaten lassen nicht darauf schliessen, dass wir uns in der angeblich so modernen Donaustadt Budapest befinden. Kurz davor hörten wir im Zug die Durchsage, die in akzentfreiem Deutsch „nächster Halt Budapest“ ankündigte. Hier verstehen wir nur Bahnhof. Nein, nicht einmal das. Bahnhof heisst auf ungarisch nähmlich pályaudvar. Alle erdenklichen Ableitungen aus uns geläufigen europäischen Sprachen scheitern. Mit Handzeichen und wenigen Brocken Englisch erreichen wir endlich den Bus, der zu unserem Hostel fährt. Hochkonzentriert zählen wir die Stationen mit, damit wir bei diesen verwirrenden Strassennamen unsere schweren Rucksäcke ja nicht an der falschen Haltestelle aus dem Bus hiefen. Wir checken ins Hostel Baroque ein und unternehmen einen ersten Stadtrundgang. Jede verschnörkelte Fassade stadteinwärts verziert das trübe erste Bild der Stadt mit hellen, freundlichen Farben und wertet unseren Gesamteindruck auf. Nachdem wir zufällig in einem Hinterhof auf die Künstlerszene treffen, gönnen wir uns einen Kaffee an der an der Donau. Hier, wo der Fluss so stolz zwischen dem prächtigen Regierungsgebäude und dem Gellertberg fliesst und eine mächtige Trennschneise zwischen Buda und Pest bildet, sind wir uns einig: die Stadt gefällt uns, sehr.
Budapest führt uns sanft in den Reisealltag ein. Die Sprache ist uns so fremd dass wir während einem ganzen Spatziergang das „köszönöm“ (ungarisch für „danke“) ständig vor uns hersagen müssen ums dann auch im entscheidenden Moment gleich auf der Zunge zu haben. Dieses Wort reicht auch meistens völlig aus. Denn die Ungarn sind, so unser Eindruck, nicht sehr gesprächig. Das beschert und zwar gute Tonaufnahmen der Durchsagen in der Metro, dafür enttäuscht die Geräuschkulisse in der städtischen Markthalle. Blicke und Waren werden hier ausgetauscht, nicht jedoch viele Worte. Mit einer Begrüssung, Fingerzeig und dem obligatorischen „köszönöm“ liegen wir voll im Durchschnitt der gängigen Wortwechsel. Die Preise sind fix und werden an den Waagen digital angezeigt. Begeistert vom frischen Angebot und der für uns noch geläufigen unkomplizierten Verhandlungsweise (die eben gerade darin besteht, dass man nicht viel verhandelt) kaufen wir immer wieder dort ein und probieren uns durch das gesamte Paprika- (Peperoni) Sortiment durch. Mit dem übrigen Gemüse kochen wir im Hostel ein Gericht und locken damit den Receptionist an, der sich gleich hinzusetzt. Das macht ein bisschen stolz, wissen wir doch, dass Ungarn das Paprikaland schlechthin ist Wir freuen uns über das nette Gespräch mit einem Ungarn der gut Englisch kann, stellen aber fest, dass die Wortkargheit nicht auf mangelnde Sprachkentnisse zurückzuführen ist.
Spätabends kaufen wir ein Ticket für die sechsstündige Fahrt nach Temeschwar in Rumänien und werden dabei Zeugen eines aufwändigen bürokratischen Prozesses. Nach 15 Minuten halten wir schliesslich handgeschriebene, bestempelte und vorsorglich kopierte Fahrscheine in den Händen. Hier, nach 4 Tagen Budapest erkennen wir, dass wir Bahnhof auf Ungarisch immer noch nicht verstehen.
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